In Gifhorn rollt seit mehreren Jahren jede Woche das Friedhofsmobil. Das Projekt ist viel mehr als ein Fahrdienst, es macht Begegnungen möglich.
Das Friedhofsmobil ist eine wunderbare Einrichtung“, freut sich Herta Kitzelmann. Wenn sie das sagt, strahlen ihre Augen. Sie ist inzwischen 88 und die derzeit Älteste, die das Angebot wahr nimmt. Regelmäßig zieht es sie an das Grab ihres Mannes. „Heute habe ich Laub geharkt und eine neue Blumenschale aufgestellt“, sagt die Witwe auf der Rückfahrt im voll besetzten Bus vom Friedhof zu ihrer Wohnung. Hier lebt sie allein. Bis vor drei Jahren ist die schwerhörige Frau noch selbst mit dem Auto zum Friedhof gefahren. Das Friedhofsmobil bedeutet für sie Unabhängigkeit. Sie muss nicht warten, bis ihr vielbeschäftigter Sohn Zeit hat. „Das ist mir wichtig“, sagt Herta Kitzelmann.
Ein Anruf am Abend vorher genügt. Dann holt der Bus sie und die anderen Frauen von der Haustür ab, bringt sie auf den Friedhof, lässt ihnen Zeit für die Grabpflege und bringt sie ein paar Stunden später wieder nach Hause zurück. Ein besonderer Service: Gehbehinderte werden so nah wie möglich an das Grab herangefahren. Fast ausschließlich Witwen sind es, die das Angebot wahrnehmen. Einer der Gründe, so vermutet Herta Kitzelmann: „Die meisten Männer geben das Grab ihrer Frau in Pflege. Wir Frauen übernehmen das selbst.“
Karsten Wolpers koordiniert die Fahrten zum Friedhof. Er ist stellvertretender Betriebsleiter des evangelischen Friedhofs. Der Bus wird von der katholischen Gemeinde St. Altfrid zur Verfügung gestellt. „Die Betriebskosten werden aufgeteilt“, sagt er. Die Gemeinde zahlt Steuern und Versicherung, das Friedhofsamt Sprit und Reparaturen.
Momentan nutzen mehr als 100 Menschen den Fahrdienst zum Friedhof, regelmäßig sind es 20, mal 30 – vor allem Frauen. Manchmal geht es nicht nur um die Toten: Regelmäßig fährt der Bus die Frauen auch zum Einkaufen. Das ist mindestens genau so wichtig für die Lebenden.
Durch das Angebot entstehen Kontakte – und manchmal mehr als das: „Wir verstehen uns gut“, sagt Karla Reinecke. Manchmal entwickeln sich sogar Freundschaften, berichtet sie. Sie hat eine wichtige Aufgabe übernommen, verwaltet die Spritkasse. Die Spardose ist aus Holz gesägt und sieht aus wie der Kleinbus, der sie und die anderen regelmäßig durch die Gegend fährt. „Jeder von uns gibt, was er kann. So halten wir diesen Service am Leben“, erzählt sie.
Ein Service mit Eigenverantwortung. Das heißt auch: Nicht alles vorgesetzt bekommen, selbst Aufgaben übernehmen. So wie Liane Röper. Die inzwischen 80-Jährige nutzt das Angebot schon seit vielen Jahren – und revanchiert sich mit ihren Möglichkeiten. Sie nimmt die Anmeldungen zum Friedhofsbesuch aus der Nachbarschaft entgegen. Und wenn es sein muss, hilft sie den anderen beim Ein- und Aussteigen. Hin und wieder lotst sie auch den Fahrer durch das sieben Kilometer lange Dorf zur richtigen Adresse.
Die Fahrt zum Friedhof, die Pflege der Gräber: das ist die eine Seite des Angebots. Und sicherlich auch die wichtige. Aber es geht auch darum, die oft einsamen Menschen in Kontakt zu bringen. Dafür ist schon die Fahrt eine gute Gelegenheit. „Wir kommen schnell ins Gespräch und lachen viel zusammen“, sagt Liane Röper. Das beobachtet auch Fahrer Winfried Galiske: „Ich merke jedes Mal, wie sich die Frauen auf das Treffen freuen, wie sie es genießen und aus dem Fester schauen. Es ist für einige die einzige Möglichkeit, mal aus der Wohnung raus zu kommen.“ Und mehr als das: „Manchen kann ich es ansehen, dass sie sich extra für den Friedhofsbesuch in Schale geworfen haben. So ein Termin in der Woche ist für sie sehr wichtig.“
Helfen ohne großen Aufwand – das ist für Galiske eine wichtige Motivation, als ehrenamtlicher Fahrer das Projekt Friedhofsmobil zu unterstützen. Schon vor etlichen Jahren hat der ehemalige Lehrer diese Aufgabe übernommen. Und sie füllt ihn selbst aus – auch, weil er dabei auf bekannte Gesichter stößt: Der Friedhofsgärtner Karsten Wolpers, einer seiner Schüler.
Die Anlaufschwierigkeiten hat das Projekt Friedhofsbus längst überwunden, nach der Winterpause startet der alte T4 in die zehnte Saison. Vielleicht hält die ja noch durch. Immerhin hat er ja bereits fast 200.000 Kilometer auf dem Tacho. Und wenn nicht, ist bereits ein neuer Kleinbus genehmigt, sagt Pastoralreferent Martin Wrasmann. Ein Teil der Kosten ist bereits durch die Spenden zusammen gekommen, den Rest teilen sich Pfarrgemeinde und Bonifatiuswerk.
Wrasmann ist immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, Gemeindeleben zeitaktuell zu gestalten. Und so hatte er auch die Idee, das Friedhofsmobil einzusetzen. „Einen Pfarrbus haben gerade bei uns in der Diaspora viele Gemeinden. Aber sie setzen ihn meistens dafür ein, Mitglieder zum Gottesdienst abzuholen oder die Kommunionkinder und Ministranten einzusammeln. Die meiste Zeit steht er ungenutzt in der Garage.“
Das kann geändert werden, hatte sich der Pastoralreferent vor einigen Jahren überlegt und das Friedhofsmobil aus der Taufe gehoben. Vorhandene Mittel mit Unterstützung von Ehrenamtlichen eingesetzt – „und schon hatten wir eine Lösung, von der viele profitieren“, sagt Wrasmann.