Bücher. Und Bücher. Und noch mehr Bücher. Volle Regale bis unter die Decke der alten Scheune auf dem Burgberg neben der alten Kirche St. Johannes. Volle Schränke, Bücherberge auf dem Fußboden. Kartonstapel. Und mitten drin der Bücherpfarrer Martin Weskott.
1991 war es. Weskott wollte nicht glauben, was er da auf dem Foto einer Tageszeitung sah: Bulldozer schoben unvorstellbare Bücherberge auf Deponien zusammen. Werke aus DDR-Verlagen waren nicht mehr gefragt. Wenige Wochen später fährt Wiskott mit einem Lieferwagen nach Plottendorf bei Leipzig, holt 800 Bücher vom Müll: Camus, Dostojewski, Balzac. Kochbücher, Reiseführer, Fotobände. Standardwerke aus Philosophie und Wissenschaft, Gedichtsammlungen.
500 000 Bücher hat Weskott gerettet, 200 Tonnen etwa. Ein Bruchteil von den geschätzten 80 000 Tonnen, die in Braunkohlegruben vergammeln. Große Literatur war über Nacht zu Altpapier geworden.
Martin Weskott ist kein „Ostalgiker“. Aber er hat eine Überzeugung: „Bücher gehören nicht auf den Müll!“ Und längst hat sich herumgesprochen, dass es in der Bücherscheune wahre Schätze zu entdecken gibt. Manche reisen hunderte Kilometer an, um in den Regalen zu suchen. Das Bundesverfassungsgericht holte sich hier Handbücher zum DDR-Strafrecht, weil sie nirgends mehr zu finden waren. Und die Anleitung „Wie repariere ich meinen Trabant?“ ist längst ein teures Sammlerstück.
Längst ist der kleine Ort Katlenburg bei Northeim zu einem echten Bücherort geworden. Tausende Zuhörer kamen zu den Lesungen der „Müll-Literaten“: 150 Autoren, deren Bücher vernichtet wurden, lasen bisher aus ihren Werken – unter ihnen Christoph Hein und Christa Wolf. Und noch immer ist Weskott in ganz Deutschland unterwegs, um ausrangierte Titel und „abgewickelte“ Bibliotheken vor der Vernichtung zu bewahren.
Die Bücherscheune auf dem Burgberg in Katlenburg öffnet jeden Sonntag nach dem Gottesdienst von 10 bis 12.30 Uhr.