Auch heute noch ist das ehemalige Hinrichtungshaus Teil eines Gefängnisses – der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel mit annähernd 400 Haftplätzen. Seit 1790 übrigens steht an dieser Stelle ein Gefängnis, zunächst eine Zwangsanstalt für „Züchtlinge“ mit vergleichsweise geringen Strafen, 1817 internierte das Herzogtum Braunschweig dort auch „Kettenhäftlinge“.
Der Bau der Hinrichtungsstätte wurde 1937 vom NS-Reichsjustizministerium angeordnet. Auch eine Folge der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung der Nazis: Im Falle des Krieges sei mit einem „vermehrten Hinrichtungsbedarf zu rechnen“, heißt es in einem Erlass des Ministeriums. So wurde die Schlosserei umgebaut – mit Turmuhr und Glocke. Mitten im Strafgefängnis, das selbst mitten in Wolfenbüttel liegt. Dort starben über 500 Menschen unter dem Fallbeil oder am Galgen: deutsche Zivilisten und Wehrmachtsangehörige, Juden, ausländische Zwangsarbeiter, Straf- und Kriegsgefangene, Sinti und Roma.
Wolfenbüttel war eine von zwei zentralen Hinrichtungsstätten in Norddeutschland. Bis in die letzten Kriegstage hinein wurden Todesurteile durch die völkische Justiz der Nazis vollstreckt. Aber auch die britische Militärverwaltung ließ dort nach der Befreiung Deutschlands 67 NS-Kriegsverbrecher hinrichten.
Von 1947 an wurde das Gebäude zunächst für Desinfektionszwecke genutzt, später als Gerümpelkammer. 1984 schließlich verfügte der damalige niedersächsische Abgeordnete Walter Remmers den Abriss der Gebäudes. Doch nun erhob sich Widerstand – von den Hinterblieben und von Verfolgtenorganisationen.
1990 schließlich wurde eine Gedenkstätte errichtet. Seit 1999 ist sie durch eine kleine Dokumentation zur Geschichte der Anstalt, zu den Justizmorden während der NS-Zeit, aber auch zu einzelnen Karrieren von NS-Richtern nach 1945 ergänzt.
Jetzt wird die Gedenkstätte nach dem Willen der Landesregierung und der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten umfassend saniert. Bis 2018 soll sie durch die Neugestaltung ihrer Bedeutung als „regionaler, nationaler und europäischer Erinnerungsort“ gerecht werden. Bereits ab August 2016 könnten Besucher das zurückgebaute Hinrichtungshaus auf dem Gelände der JVA im Zustand von 1945 besichtigen. Zudem entsteht am Rande des Gefängnisses ein neues Dokumentationszentrum.
Das Gedenken an die Opfer ist eine Aufgabe, die sich die Kolpingsfamilie der benachbarten Pfarrei St. Petrus gestellt hat. „Jedes Jahr am Dienstag in der Karwoche wird mit einem ökumenischen Gottesdienst an die Opfer im Wolfenbütteler Strafgefängnis während der Zeit des Nationalsozialismus erinnert“, sagt die Vorsitzende der Kolpingsfamilie, Elisabeth König. 1995, zum 50. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, habe die Kolpingsfamilie dieses Versprechen gegeben: einen Gottesdienst „Gegen das Vergessen" zu feiern.
So wurden zahlreiche deutsche Zivilisten wegen, im Nazi-Jargon, „Plünderns“, „Feindsenderhörens“ oder „Schwarzschlachtens“ exekutiert. Wehrmachtsangehörige wurden wegen „Feigheit vorm Feinde“, „Fahnenflucht“, oder „Selbstverstümmlung“ durch das Fallbeil umgebracht – in Wolfenbüttel allein 50 Männer.
Oftmals wegen angeblicher Sabotage in Rüstungsbetrieben wurden auch zahlreiche Zwangarbeiter zum Tode verurteilt. Mindestens 64 Hingerichtete in Wolfenbüttel waren sogenannte „Nacht-und-Nebel-Gefangene“. Nach einem geheimen Führererlass aus dem Dezember 1941 konnten des Widerstandes Verdächtige bei Nacht und Nebel über die deutsche Grenze gebracht werden. Sie wurden in Geheimverfahren abgeurteilt.
An all diese Opfergruppen wird durch den Gedenkgottesdienst erinnert – und an die Namen der Hingerichteten. „Deshalb werden sie im Gottesdienst zu Beginn immer verlesen“, betont Elisabeth König.