Jesuitenpater war für die Nazis Staatsfeind Nr. 1

Die Nazis erklärten ihn zum Staatsfeind ersten Ranges, 1938 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen, die Gestapo verfolgte ihn durch halb Europa. Die aufwendige Jagd galt einem Schöngeist, Literaturkenner und Kulturkritiker: dem Jesuitenpater Friedrich Muckermann (1883–1946). Der Sohn eines Schuhmachers, geboren am 17. August 1883 im niedersächsischen Bückeburg, war in einem fast schon unheimlichen Ausmaß produktiv als Vortragsreisender, Autor, Publizist. Geistige Weite, neugierige Aufgeschlossenheit, selbstständiges Denken bedeuteten freilich den Nazis bereits Rebellion.

Schon als Sechzehnjähriger trat Muckermann dem Jesuitenorden bei – in Holland, denn im Deutschen Reich war der Orden verboten. Noch während seiner Studienzeit begann er an Kollegien in Österreich und Dänemark zu unterrichten. Den Neugeweihten schickte man 1914 als Militärgeistlichen an die Front. Mehr als ein Jahr lang hielten ihn die Russen gefangen.

 

Muckermann initiierte die „Katholische Korrespondenz“

Muckermann studierte in Holland zu Ende und wurde dann vom Orden für die publizistische Arbeit freigestellt. 1919 hätte er Professor für Germanistik an der neu gegründeten Universität Wilna werden können. Doch die Zeitungsarbeit reizte ihn mehr. In Münster wuchs um Muckermann ein Kreis junger Mitarbeiter, die Nachrichten, internationale Pressespiegel und Filmkritiken an die Zeitungen schickten.

„Katholische Korrespondenz“ nannte sich das Unternehmen, man arbeitete ohne großen Apparat, vervielfältigte auf altersschwachen Maschinen, improvisierte erfinderisch und geduldig. Mit der Buchführung haperte es. Feste Gehälter waren nicht drin, der Chef lebte in einer mit Büchern vollgestopften Dachkammer.

Der Jesuit produzierte Hunderte von Aufsätzen, veröffentlichte melancholische oder ermutigende Bücher mit Titeln wie „Revolution der Herzen“, „Ein Mönch tritt über die Schwelle“, „Das geistige Europa“. Überall in Deutschland hielt er Vorträge und äußerte sich zu jeder nur denkbaren Streitfrage in Gesellschaft und Kultur.

 

Muckermann

 

Muckermann forderte Widerstand gegen Hetzjagd auf Juden

Den im rechten Lager immer stärker schwelenden fanatischen Nationalismus begriff er ebenso als Bedrohung wie den totalitären Bolschewismus. Ihnen stellte er die Wertewelt des Abendlandes entgegen, in dessen reicher Tradition er lebte. Muckermanns anspruchsvolle Literatur- und Kulturzeitschrift „Der Gral“ hatte nie mehr als zweitausend Abonnenten, vertrat den klassischen Bildungskanon und verstand sich als Alternative zum eher avantgardistischen „Hochland“.

Den Nazis war der unberechenbare Querkopf ein Dorn im Auge. Hatte er doch im Januar 1932 im „Gral“ die Verwüstungen von Synagogen und Friedhöfen aufgelistet und es als „christliche, menschliche und deutsche Pflicht“ bezeichnet, der Hetzjagd auf jüdische Mitbürger entgegenzutreten.

1934 verließ Muckermann Deutschland – für immer. Im letzten Moment floh er vor der Gestapo nach Holland, um dort den „Deutschen Weg“ zu redigieren, eine kompromisslose katholische Emigrantenzeitschrift, die in vierzig Ländern gelesen wurde. Muckermann ging nach Rom, immer die Nazis auf den Fersen, erhielt eine Professur am Orientalischen Institut der Päpstlichen Gregoriana-Universität, siedelte nach Wien um, floh nach Paris.

 

Jesuitenpater Muckermann warnte unermüdlich vor den Nazis

Unermüdlich schrieb und warnte er. Im französischen Radio hielt Muckermann viel beachtete Ansprachen. Als die Deutschen in Paris einmarschierten, ging er in den unbesetzten Teil Frankreichs und fand schließlich Zuflucht in der Schweiz. Allerdings musste er sich dort einschneidenden Beschränkungen seiner Bewegungs- und Redefreiheit unterwerfen.

Das brach seinen Elan, Muckermann wurde schwer krank: Herz, Galle, Gelbsucht. Am 2. April 1946 starb er in Montreux am Genfer See, im Alter von 63 Jahren. „Übrigens sind die meisten Menschen besser, als sie selber ahnen“, hatte er geschrieben. „Zudem trägt jeder das Antlitz Christi, seitdem Gott Mensch geworden ist. So ist auch der Gottlose noch Gott ähnlich. Das wenigstens kann man an ihm lieben.“

Unser Bistum: 
Bückeburg, Niedersachsen