Kirche zwischen den Strandkörben In Cuxhaven bietet eine Wattwanderin spirituelle Ausflüge nach Neuwerk an

Watt. Wasser. Wind. Millionen Urlauber entspannen im Sommer an der Nordseeküste. Die katholische Kirche ist mittendrin. Für die Touristen bietet sie Gottesdienste, Einkehr und Wanderungen für Leib und Seele an. Auf einem Spaziergang zur Insel Neuwerk erfahren sie, warum auch der Wurm im Schlick durchaus etwas zu tun hat mit der Schöpfung Gottes.

Die Nordseeküste hat ihren eigenen Kopf: Mitten im Juli lässt sie einen kalten Wind über das Meer brausen, dicke Wolken hängen am Himmel und Regen prasselt. Wo sonst Urlauber im Wasser planschen und Kinder Burgen aus Sand bauen, herrscht an diesem Tag eine trostlose Kulisse. Selbst das Wasser zieht sich zurück. Meter für Meter gibt es den Meeresboden frei. Das ist der richtige Moment für Anna Maria Höchtl.

Mit nackten Füßen durch den Schlick: Urlauber in Cuxhaven wandern dreizehn Kilometer zur Insel Neuwerk.

Seit mehr als 20 Jahren laden die Kirchen an der Nordsee zu Gottesdienst und spirituellen Impulsen ein.

Die 65-Jährige ist leidenschaftliche Wattwanderin. „Ich genieße es, wenn der Wind mir ins Gesicht weht und ich die frische Luft atmen kann“, sagt sie. Heute ist die pensionierte Gemeindereferentin nicht allein unterwegs. Urlauber aus Karlsruhe und dem Westerwald ziehen sich ihre Schuhe aus und spazieren barfuss durch den Sand Richtung Watt. Doch bevor sie mit ihren Füßen im Schlick stehen, machen sie Halt. Anna Maria Höchtl spricht zunächst den Reisesegen: „Herr, wir wissen noch nicht, was uns erwartet. Aber dennoch hoffen wir, dass wir mit einer neuen Sehnsucht zurückkommen.“

Im Watt zu wandern und dabei spirituelle Impulse zu bekommen ist ein Angebot der katholischen Urlauberseelsorge Cuxhaven. Die Kirche Herz Jesu liegt direkt am Meer. Viele Reisende treten ein, zünden eine Kerze an oder setzen sich einfach nur in die Bank. Pro Jahr sind es etwa 20 000 Reisende, die die Kirchen in der Stadt aufsuchen. Umso schlimmer war es für die Gemeinde Herz Jesu, als im Jahr 2001 die Kirche profaniert werden sollte. „Viele Gläubige haben sich dagegen gestemmt“, erinnert sich Anna Maria Höchtl, die in der Gemeinde gearbeitet hat. Vom Bistum Hildesheim kam schließlich eine Bedingung: In der Kirche müssen Angebote stattfinden, sonst wird sie geschlossen. Damit war die Urlauberseelsorge geboren.

Seitdem können Gemeindemitglieder und Reisende an zahlreichen Angeboten teilnehmen: Lieder singen, mit dem Fahrrad auf Wallfahrt fahren und bewusstes Stillsein einüben. „Viele Urlauber planen die Angebote fest in ihre freie Zeit ein“, sagt Pastoralreferent und Urlauberseelsorger Bernhard Schillmüller. Doch warum bedarf es in der sprichwörtlich schönsten Zeit des Jahres überhaupt spiritueller Angebote?

Anna Maria Höchtl hat da so ihre Erfahrungen gemacht. „Im Urlaub kommt so einiges hoch. Probleme auf der Arbeit, Ärger mit den Kindern oder Trauer. Senioren klagen oft darüber, dass sie mit ihrem Leben im Ruhestand nicht zurecht kommen“, erzählt sie.

Höchtl hört den Menschen gerne zu und versucht ihnen einen Ausweg zu zeigen. Der Glaube spiele da eine wichtige Rolle. „Ich sage den Besuchern, dass Gott immer bei uns ist. Wir müssen ihm nur vertrauen.“

Auch Reisende, die nicht glauben, wenden sich an Höchtl. Ihnen den Glauben überstülpen? „Auf gar keinen Fall. Das ist gar nicht unser Ziel“, sagt Höchtl. So sieht es auch Bernhard Schillmüller. „Die Urlauber, die zu uns kommen, sollen ihre Seele auftanken und sich wohlfühlen. “, sagt er. „Es ist wichtig, dass sie in Erinnerung behalten, dass sie bei uns nett aufgenommen worden sind.“ Und wenn es für jemanden das letzte Mal war, dass er eine Kirche betreten hat? „Wenn ein Urlauber nicht wiederkommt, ist das für uns kein Misserfolg. Der Heilige Geist führt die Menschen schon in die Kirche, wenn es denn so sein soll.“

Im Watt von Cuxhaven wandern die Männer und Frauen durch Sand und Schlick vorbei an Muschelbänken. Land ist schon lange nicht mehr in Sicht. „Ich finde es wunderschön hier zu sein. Es gibt keine störenden Geräusche, die mich von Gott ablenken könnten“, sagt Ute Schilder. Ihr Ehemann Thomas genießt die endlose Weite und den frischen Wind. Urlaub für Leib und Seele – so sieht es auch Anna Maria Höchtl. Ihren Besuchern rät sie die Seeluft tief einzuatmen. „Der Sauerstoff hier draußen erfüllt den ganzen Körper und macht glücklich. Das erlebe ich immer wieder.“ Die Urlauber jedenfalls haben ein Lächeln im Gesicht. Wegen der frischen Luft und weil nach dreizehn Kilometern das Ziel, die Insel Neuwerk, am Horizont sichtbar wird.

Unser Bistum: 
Cuxhaven, Niedersachsen